Cholinerg

Aus dem griechischen cholos (Galle) und ergon (Wirkung)

Im Allgemeinen bezeichnet die Medizin die Reaktion auf den wichtigen Neurotransmitter Acetylcholin im menschlichen Körper als cholinerg. Cholinerge Nervenzellen (cholinerge Neurone) produzieren Acetylcholin als Neurotransmitter, das in Vesikeln in den cholinergen Synapsen gespeichert wird. Chemische, cholinerge Synapsen vermitteln die Arbeit zwischen dem Neuron und der nachgeschalteten Zelle. Die cholinerge Synapse besteht aus der Präsynapse, der Postsynapse und dem synaptischen Spalt.

Acetylcholin wirkt an zwei cholinergen Rezeptoren, dem muskarinischen und nikotinischen Rezeptor sowie deren Subtypen. Acetylcholin spielt eine wichtige Rolle für das zentrale Nervensystem hinsichtlich der geistigen Aufmerksamkeit, dem Erlernen und der Erinnerungsfähigkeit eines Menschen. Cholinerge Neurone wirken vorrangig in den Thalamus und das Großhirn (Hypothalamus) hinein. Im markhaltigen Kerngebiet des basalen Vorderhirns (Nucleus tractus diagonalis) sind 70 % der Neuronen cholinerg. Im frontalen, basalen Endhirn (Nucleus basalis Meynert) sind mit einem Anteil von 90 % die meisten Neuronen cholinerg und werden bei einem Ausfall mit der Alzheimererkrankung in Verbindung gebracht.

1. Cholinerges System

Das cholinerge System ist ein die vegetativen Nervenfasern umfassendes Funktionssystem. Im Verlauf und vor allem an den Enden dieser Nervenfasern wird Acetylcholin gebildet und vom cholinergen System als Transmitter freigesetzt. Als cholinerg werden alle präsynaptischen Neuronen des Sympathikus und Parasympathikus mit einer nikotinergen oder muskarinergen Bindungsstelle zu Acetylcholin bezeichnet. Das cholinerge System hat bei Störungen (Erhöhungen oder Ausfällen) unterschiedliche Auswirkungen auf

  • die kognitiven Fähigkeiten
  • das Gedächtnis
  • die Herzfrequenz und den Puls
  • die Erweiterung der Pupillen
  • Verdauungsstörungen oder die Blasenentleerung


2. Cholinerge Neurone

Cholinerge Neurone sind Nervenzellen, die den Neurotransmitter Acetylcholin freisetzen. Das Acetylcholin wird durch die präsynaptische Membran in den synaptischen Spalt geleitet. Sie befinden sich vor allem im markhaltigen Kerngebiet des basalen Vorderhirns (Nucleus tractus diagonalis) und im frontalen, basalen Endhirn (Nucleus basalis Meynert).

Cholinerge Neurone sind mitverantwortlich für die Steuerung der Aufmerksamkeit des Gehirns sowie für das Lernen und für die Bildung von Erinnerungen. Bei vielen Demenzen und insbesondere bei Alzheimer liegt eine Funktionsstörung oder ein Rückgang cholinerger Neuronen vor.

3. Cholinerge Rezeptoren

Cholinerge Rezeptoren binden den Botenstoff Acetylcholin (ACh) und werden deswegen auch als Acetylcholinrezeptoren oder ACh-Rezeptoren bezeichnet. Sie befinden sich an Nerven-, Muskel-, Sinnes- und Drüsenzellen. Die Rezeptoren sind an der molekularen Erregungsweiterleitung an den Synapsen beteiligt.

4. Cholinerges Syndrom/cholinerge Krise

Ein cholinerges Syndrom bzw. eine cholinerge Krise wird meist durch Vergiftungen oder die Überdosierung von Medikamenten ausgelöst. Symptome entstehen durch eine extreme Stimulation des Nervus vagus (Hirnnerv) und zum Teil durch erhöhte Stimulation des Parasympathikus (Antagonist des Sympathikus) im vegetativen Nervensystem.

Im Falle eines cholinergen Syndroms ist die Acetylcholin-Menge im Körper stark erhöht, wodurch eine akute Muskelschwäche ausgelöst wird. Als Ursache für die ausgelöste Erhöhung gelten des Weiteren

  • eine Überdosierung von Cholinesterase-Hemmern (Myasthenia-gravis-Therapie -neurologische Muskelerkrankung)
  • Die Auswirkung von Nervenkampfstoffen, Pflanzenschutzmitteln und anderen Toxinen
Unterschiedliche Symptome weisen auf eine cholinerge Krise hin. Neben der akuten Muskelschwäche treten Durchfall und Bauchkrämpfe auf. Weitere Symptome sind muskarin- oder nikotinartige Vergiftungs-Nebenwirkungen. Zu den muskarinartigen Symptomen gehören Herzrasen, erhöhter Puls, vermehrter Speichel und die Verengung der Pupillen.

Auch Vergiftungen mit Carbamaten (Cholinesterase-Hemmer) können das cholinerge Syndrom auslösen. Die Moleküle lagern sich an dem aktiven Zentrum der Cholinesterase ab und blockieren das Enzym. Die Acetylcholin-Konzentration im synaptischen Spalt steigt an und der Rezeptor für Acetylcholin wird dauerhaft angeregt.

Als Carbamate gelten für die Landwirtschaft hergestellte Pflanzenschutzmittel wie Insektizide, Fungizide und Herbizide. Sie können eine feste oder flüssige Konsistenz haben und sind im Vakuum mit Alkohol unzersetzt destillierbar.

Die künstliche Beatmung und Intubation sind bei der nikotinartigen cholinergen Krise meist die einzige Behandlungsform. Bei muskarinartigen Symptomen sprechen die Patienten häufig sehr gut auf die Behandlung mit Atropin an.

5. Cholinergische Urtikaria

Die cholinergische Urtikaria ist eine Sonderform der chronischen, dermatologischen Erkrankung und kann auch durch eine Kälteurtikaria ausgelöst werden. Durch eine erhöhte Körperkerntemperatur treten Quaddeln auf der Haut auf. Häufig betrifft die Erkrankung jugendliche Menschen. Sie dauert meist ca. 7 Jahre, kann aber in Einzelfällen bis zu 30 Jahren andauern. Als Auslöser für die Hautquaddeln gelten neben der Erhöhung der Körperkerntemperatur auch Fieberattacken bei körperlicher Anstrengung, bei dem Genuss von scharf gewürzten Speisen oder Alkohol, heißen Bädern sowie Stress.

Als Symptome gelten Übelkeit, Durchfall, Schwindel und Kopfschmerzen, selbst eine Bewusstlosigkeit ist möglich.

Die entstandenen Quaddeln lösen einen sehr starken Juckreiz aus und können bis zu einer Stunde bestehen. Meist befinden sie sich auf der Haut der oberen Körperhälfte.

Zur Diagnosestellung wird der Körper mit typischen Auslösern wie einem heißen Bad oder starker körperlicher Anstrengung konfrontiert. Die häufigste Behandlungsform mit einem H1-Rezeptor-Antagonisten (Histamin-Blocker) erfolgt bei cholinergischer Urtikaria regelmäßig oder zusätzlich kurz vor einer auslösenden Situation.
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