Postoperative Wundinfektion / Surgical Site Infection (SSI)

Ein wichtiger und wesentlicher Grundsatz in der Medizin ist die Vermeidung von postoperativen (nosokomialen) Wundinfektionen, auch „Surgical Site Infection“ genannt, nach operativen Eingriffen. Die Qualität des Behandlungsergebnisses ist für das zukünftige Wohlbefinden des Patienten äußerst wichtig. Diese Qualität wird, neben der erfolgreichen Operation und der daraus resultierenden Genesung, vor allem durch die Vermeidung einer Infektion und des darauffolgenden optischen Schadens erreicht. Diese ethische Verantwortung ist für jeden Arzt und jede Pflegekraft eine permanente Herausforderung. Die postoperative Wundinfektion wird durch bestimmte Bakterien (Krankenhauskeime) verursacht und stellt, trotz sorgfältiger Hygienemaßnahmen, in der heutigen Chirurgie noch immer eine zurecht gefürchtete Komplikation dar. Durch ausgesprochen gründliche Körperhygiene vor und nach der Operation kann auch der Patient selbst zu einer erfolgreichen Vermeidung einer Infektion der Wunde beitragen.

Präventive Maßnahmen gegen postoperative Wundinfektionen erfasst die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) des Robert-Koch-Instituts kontinuierlich angesichts stetig wachsender und sich verändernder Risikofaktoren. Solcherlei Maßnahmen müssen entsprechend umgesetzt werden, um das Risiko für bedrohliche und/oder schädigende Wundinfektionen zu vermeiden. Die Schritte zur Prävention werden mittels einer Checkliste lückenlos durchgeführt und in der kollektiven Zusammenarbeit regelmäßig auf ihre Erfüllung überprüft. Neben dem Patientenschutz dienen die Hygienemaßnahmen selbstverständlich auch zur Vermeidung einer berufsbedingten Ansteckung oder Infektion unter Ärzten und Mitarbeitern. 

Inhaltsverzeichnis

1. Postoperative (nosokomiale) Wundinfektion: Definition

2. Erreger und Erscheinungsformen

3. Risikofaktoren nosokomialer Infektionen und postoperativer Wundinfektionen

4. Der Kontaminationsgrad

5. Präventive Maßnahmen

a. Präoperativ

b. Perioperativ

c. Intraoperativ

d. Postoperativ

6. Komplikationen 

7. Behandlung/Therapie


1. Postoperative (nosokomiale) Wundinfektion: Definition

Wenn eine Infektion innerhalb eines Monats (bis zu einem Jahr bei Prothesenoperationen) nach einer Operation auftritt, wird sie als postoperative und damit nosokomiale Wundinfektion bezeichnet und je nach Schweregrad in drei Stufen eingeteilt:

  • A1: Schädigung des subkutanen Gewebes und der Haut (oberflächlich), gekennzeichnet durch eitriges Sekret, Rötung und Schwellung, Schmerzen. Neben dem sichtbaren Nachweis werden Erreger durch nichtkulturelle oder kulturelle Laborverfahren nachgewiesen. Feststellung eines oder mehrerer Symptome innerhalb eines Monats.


  • A2: Infektion unter Einbeziehung des Muskelgewebes und der unteren Hautschicht, gekennzeichnet durch eitriges Sekret und Auftreten eines weiteren Symptoms wie Schmerzen oder Fieber über 38°C. Nachweis durch nichtkulturelle oder kulturelle Laboruntersuchungen und Öffnung des Hautgewebes durch den Arzt. Feststellung eines oder mehrerer Symptome innerhalb eines Monats bis zu drei Monaten.


  • A3: Infektion der Körperhöhle und des von der Operation betroffenen Organs, gekennzeichnet durch eitriges Sekret im betroffenen Operationsbereich (hier der vollständigen Körperhöhle bis zum jeweiligen Organ) oder Erregernachweis (nichtkulturell oder kulturell), Abszessbildung, diagnostischer Nachweis des behandelnden Arztes.

Auch Symptome wie u. a. Fieber, eine Entzündung des betroffenen Körperbereichs bereits vor der Operation, Komplikationen während vorheriger Operationen, Lebensalter und körperlicher Allgemeinzustand, außerdem Methodiken wie Laborbefunde und bildgebende Untersuchungen werden herangezogen. Zur sektorenübergreifenden Qualitätssicherung werden die Daten des stationären und ambulanten Operationsbereichs zur Analyse zusammengeführt.

Grundsätzlich werden Infektionen, die in einem kausalen Zusammenhang mit medizinischen Maßnahmen in Arztpraxen, Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen entstehen, als nosokomiale Wundinfektionen bezeichnet. Das Risiko unterscheidet sich bezüglich des Fachbereichs und der medizinischen Einrichtungen. Innerhalb des intensivmedizinischen Bereichs ist das Infektionsrisiko am höchsten.

5 % der nosokomialen Infektionen führen zu einem epidemischen Ausbruch. Von einem nosokomialen Ausbruch (Verbreitung eines ambulanten oder stationären Krankenhauskeims) spricht man, wenn innerhalb eines Fachbereichs mehr als eine Person in einem engen Zeitraum betroffen ist (entsprechend dem Infektionsschutzgesetz, § 2 Nummer 8). Die Übermittlung der Meldungen erfolgt an das Gesundheitsamt und das Robert-Koch-Institut. Nach § 6 Absatz 3 besteht eine gesetzliche Meldepflicht.

2. Erreger und Erscheinungsformen


Diese Erreger sind verantwortlich für nosokomiale Wundinfektionen:

  • 74 % der Infektionen entstehen durch Noroviren
  • 8 % der Infektionen entstehen durch Rotaviren
  • 3 % der Infektionen entstehen durch sonstige Viren
  • 15 % der Infektionen entstehen durch Bakterien wie Escherichia Coli, Clostridium difficile und Staphylococcus aureus
  • Weniger als 1 % der Infektionen entstehen durch Pilze oder Parasiten
Durch das Eindringen von pathogenen Mikroorganismen und die Vermehrung dieser meist bakteriellen Erreger innerhalb des Operationsbereichs kann eine postoperative Wundinfektion (SSI) entstehen. Postoperative Wundinfektionen sind mit einem Anteil von ca. 22 % die zweithäufigste nosokomiale Infektion in Deutschland, in entwicklungsschwachen Ländern ist SSI sogar die häufigste Infektionsform. In seinen multiresistenten Formen MRSA (methicillinresistent) und VRE (vancomycinresistent) ist besonders Staphylococcus aureus für eine postoperative Wundinfektion (SSI) verantwortlich. 

Abwehrmechanismen wie zum Beispiel das Einwandern von Phagozyten und die Mastzellenaktivierung mit proinflammatorischen Zytokinen verhindern eine klinisch sichtbare Infektion nach mikrobieller Kontamination oder begrenzen die Verbreitung innerhalb des Wundgebietes.

Neben der postoperativen Wundinfektion treten weitere Krankenhausinfektionen auf. Harnweginfektionen machen mit ca. 30 % den größten Anteil von Krankenhausinfektionen aus, jedoch kann auch sehr häufig eine künstliche Beatmung zur Lungenentzündung führen oder ein Venenkatheter eine Sepsis auslösen. 

In der Allgemeinmedizin bekommen in Deutschland ca. 3,5 % der Patienten eine Krankenhaus-Infektion, der Anteil auf einer Intensivstation liegt bei ca. 15 %. Das Wundinfektionsrisiko ist bei Eingriffen am Darmtrakt (ca. 8 %) und am Harntrakt (ca. 3 %) besonders hoch. 

3. Risikofaktoren nosokomialer Infektionen und postoperativer Wundinfektionen

Das Risiko einer Krankenhausinfektion und/oder einer postoperativen Wundinfektion ist unterschiedlich hoch und wird durch viele Faktoren beeinflusst. Eine völlige Keimfreiheit ist trotz höchster Hygiene und Vorsicht beim Umgang mit der Operationswunde nicht möglich. Postoperative Wundinfektionen werden meist durch eine Bakterienbesiedelung ausgelöst. Bereits vor dem eigentlichen operativen Eingriff kann eine bakterielle Besiedelung stattgefunden haben (z. B. im Darm, durch Verunreinigung einer Unfallwunde), trotz der entsprechenden Hygiene- und Präventionsmaßnahmen ist dann die Gefahr einer Wundinfektion erheblich höher. 

Als entscheidende Risikofaktoren der postoperativen Wundinfektion gelten:

  • Allgemeinzustand und Alter des Patienten (Immunsystem, Ernährungszustand, Vor- bzw. Grunderkrankungen)
  • Rauchen, Alkoholabusus, Anämie, Krebserkrankungen, Diabetes mellitus
  • Hygienebedingungen, das Tragen von Schmuck, künstlichen Wimpern oder Fingernägeln
  • Bereich der Operation bzw. Körperöffnung
  • Notfalloperationen (z. B. Magen-Darm-Durchbrüche, innere Blutungen)
  • Sehr lange Operationszeiten
  • Größe des Wundverschlusses bzw. der Operationsnarbe
  • Kontaminationsgrad (Unterteilung in vier Klassen je nach operativem Eingriff)

4. Der Kontaminationsgrad

Die Klassifizierung des Kontaminationsgrades ist unterteilt nach dem Risiko einer Wundinfektion. Eingriffe nach Kontaminationsgrad 1 weisen die geringsten Wundinfektionen auf, Eingriffe mit einem Kontaminationsrisiko Grad 4 haben die höchste Infektionsrate.

Grad 1:
Aseptische Operation eines nichtinfizierten Operationsgebietes, neben einer oberflächlichen Bakterienbesiedelung (desinfizierbar) der Haut keine Kontamination. Das Infektionsrisiko von Grad 1 liegt bei <2 %.

Grad 2:
Aseptische Operation mit Eröffnung des Atem-, Gastrointestinal- oder Urogenitalbereichs, bei der jedoch keine ungewöhnliche Kontamination des Operationsbereichs, sondern nur eine mäßige Keimzahl an der Standortflora vorliegt. Das Infektionsrisiko von Grad 2 liegt bei <10%.

Grad 3:
Kontaminiertes Operationsgebiet, bereits vorliegende Entzündung des Operationsgebietes, beispielsweise offener Verletzungen oder Frakturen. Das Infektionsrisiko von Grad 3 liegt bei 5-20%.

Grad 4:
Verschmutzte, bereits eitrige, infizierte Wunden und hohe Kontamination des Operationsgebietes. Das Infektionsrisiko von Grad 4 liegt bei >20%.

5. Präventive Maßnahmen

Hygienische Schutzmaßnahmen sind für die Vermeidung einer postoperativen Wundinfektion die wichtigste Voraussetzung. Vorerkrankungen wie z. B. Diabetes mellitus sollten gut eingestellt sein bzw. behandelt werden. Es empfiehlt sich eine Tabak- und Alkoholeinschränkung bzw. -Abstinenz und eine Gewichtsreduktion bei Übergewicht. 

a. Präoperativ

Präoperativ ist es wichtig, bestehende Infektionen zu behandeln, bei orthopädischen und kardiologischen Eingriffen sollte eine präoperative Dekolonisation mit 2%-iger Mupirocin-Nasensalbe und eine Ganzkörperwaschung mit Chlorhexidingluconat durchgeführt werden. Bei Darmoperationen muss eine Darmentleerung veranlasst werden und es sollte eine präventive, orale Antibiotikagabe erfolgen. Die Wartezeit bis zur Operation sollte nach diesen Maßnahmen möglichst gering sein. 

Grundsätzlich muss die Haut innerhalb und außerhalb des Operationsbereich gründlich gereinigt sein, Haare müssen im Operationsgebiet durch Rasur entfernt werden. Wie auch das Personal und die Ärzteschaft muss der Patient eine frische Spezialbekleidung für den OP tragen. Selbstverständlich müssen alle hygienischen Maßnahmen wie das Tragen von OP-Masken, OP-Handschuhen, OP-Bekleidung und alle chirurgischen Desinfektionsrituale vom kompletten Operationsteam eingehalten werden. 

b. Perioperativ

Als perioperative Maßnahmen werden alle pflegerischen Vorbereitungen des Patienten auf die Operation sowie die Betreuung während der Operation bis zum Zeitpunkt der Übergabe an die Station bezeichnet. Das bedeutet, die perioperative Pflege umfasst vernetzend die Bereiche vor, während und – für einen beschränkten Zeitraum – nach der Operation. 

c. Intraoperativ

„Intraoperativ“ bezeichnet den Zeitraum während der Operation. Hier muss der aseptische Zustand so gut wie möglich eingehalten werden. Kontaminierte Gegenstände, Instrumente, und Bekleidung müssen sofort beseitigt werden, Kontaminationen des OP-Gebietes bzw. des Sterilbereichs sind zu vermeiden bzw. bei Vorkommen zu beseitigen. In der Regel erfolgt bei einer längeren Operationszeit eine zweite intravenöse Gabe von Basisantibiotika. Die Anzahl der im Operationssaal befindlichen Personen sollte grundsätzlich so gering wie möglich sein, Türen sollten geschlossen gehalten und Gespräche des Personals auf das Notwendige beschränkt werden. 

d. Postoperativ

Postoperative Maßnahmen schließen alle hygienischen Tätigkeiten nach der Operation ein, beginnend mit der sterilen Wundabdeckung. Der Wechsel der Wundabdeckung sollte regelmäßig erfolgen, um eventuelle Komplikationen schnell feststellen zu können und umgehend zu reagieren. Der Patient muss über selbständig durchführbare Hygienemaßnahmen umfassend informiert werden, um sich vor einer Kontamination zu schützen. Patienten mit einer postoperativen Wundinfektion durch Krankenhauskeime müssen isoliert sein und separat versorgt werden. Der postoperative Bereich umfasst alle Hygienemaßnahmen bis zur vollständigen Wundheilung.  

6. Komplikationen 

Die Surgical Site Infection ist eine Komplikation der medizinischen Behandlung. In früheren Zeiten kam ein chirurgischer Eingriff aufgrund mangelnder Hygienemaßnahmen und -möglichkeiten einem Todesurteil gleich.  Trotz des heutigen erheblichen Fortschritts im Bereich der Hygienemöglichkeiten und -maßnahmen zählt die postoperative Wundinfektion noch immer zu den bedrohlichen Komplikationen in der Chirurgie mit oft schwerwiegenden Auswirkungen für den Patienten und sein Umfeld. Besonders gefürchtet und gefährlich sind die ständig zunehmenden antibiotikaresistenten Erreger; die Behandlungs- bzw.  Heilungsmöglichkeiten sind in diesem Fall sehr eingeschränkt. Durch die postoperative Wundinfektion (SSI) können, neben der Infektion selbst, verschiedene, teils lebensbedrohliche Erkrankungen wie Blutvergiftung (Sepsis), Lungenentzündung oder chronische Wunden entstehen. Das optische Operationsergebnis ist meist sehr beeinträchtigt.  

7. Behandlung/Therapie

Die therapeutischen Maßnahmen erfolgen ausgehend vom Erreger sowie vom Grad der Wundinfektion und den Risiken des jeweiligen Patienten. Konservative Behandlungsmethoden mit einer Antibiotikagabe oder antiseptischen Auflagen werden ebenso angewandt wie – in schwerwiegenderen Fällen – die chirurgische Wundöffnung und Entfernung des betroffenen Gewebes bzw. Spülung, die Spaltung eines Abszesses, die Einlage einer Drainage oder die Entfernung von Fremdmaterial im infizierten Wundbereich. In einigen Fällen ist eine anschließende Hauttransplantation erforderlich, um ein einigermaßen gutes optisches Ergebnis zu erzielen. Schwere Wundinfektionen an Prothesen erfordern deren Entfernung, sie müssen nach vollständiger Wundheilung und Genesung des Patienten erneut operativ eingesetzt werden.

Eine VAC-Therapie wirkt sich ebenfalls positiv auf die Wundheilung aus. Hierbei wird die infizierte Wunde mittels Wundschwämmchen (aus Polyvinyl oder Polyurethan) luftdicht abgedeckt und über ein Drainagesystem einem leichten Unterdruck ausgesetzt. Dieses Verfahren befindet sich noch in einer kontrollierten Studie und wird kontrovers diskutiert, da einige Wunden für die VAC-Therapie kontraindiziert sind (z. B. nekrotisches Gewebe oder freiliegende Nerven, Organe oder Blutgefäße).

Für die Behandlung einer postoperativen Wundinfektion finden vielversprechende Studien statt, um deren Effektivität weiter zu optimieren und die Infektionsgefahr noch kontrollierter zu verringern.
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